Everest – tragisch und unglaublich…
Tragisch
und unglaublich!...
Genau
das schrieb mir meine Nichte, die mit Bergsteigen wenig Berührungspunkte hat,
in einem Whatsapp an mich und hängte noch das Bild vom Stau am Gipfelgrat, dass
um die Welt ging, an.
Das gab
und gibt mir immer noch zu denken!
Das
Entsetzen und der Aufschrei um die Tragödie von 11 Todesopfern in einer Saison
ist gross. Die Wahrnehmung dazu in der breiten Öffentlichkeit ist sehr verzerrt,
natürlich leistet da die meist sehr undifferenzierte Berichterstattung in den
Medien noch gewaltigen Vorschub. Doch wirklich hinterfragen warum und wieso mag
niemand. Ein markanter Kurswechsel der Bewilligungspolitik ist umgehend nicht
zu erwarten. Das Bild klagt möglicherweise (?) an, gibt aber keine Lösungen.
Ich
erlauben mir ein paar Gedanken dazu - bewusst mit dem Risiko eventuell einen
«Shitstrom» auszulösen.
Tragisch
– Ja!
Immer
bei Todesopfern, jedes einzelne dieser Schicksale, gleich unter welchen
Umständen, hat seine traurige Geschichte.
Persönlich
habe ich aber meine Zweifel ob sich wirklich jeder der sich darauf einlässt weiss,
wie es dort oben zu und hergeht und sich der Risiken wirklich bewusst ist, auf
die er sich einlässt?! Ein gute Portion Blauäugigkeit, ja Nonchalance scheint
da schon im Spiel zu sein.
Unglaublich
– Ja und nein!
Es ist
zu befürchten, dass es wahrscheinlich noch viel schlimmer ist, als das Bild
darstellt! Hektik, Stress und Angst, kurz vor oder nach dem potentiellen
Lebensziel!
Ueli
Steck und Simone Moro haben sich mit Sherpas geprügelt – wann kommt es zur
ersten Prügelei im Stau am Gipfelgrat oder um Sauerstoff. Man braucht nicht
viel Fantasie um sich weitere Konfliktszenarien auszudenken…
Aber in
erster Linie ist es einfach nur eines - pervers!
Wirklich
genau hinsehen ob all die Bergsteiger, die sich am Everest für unglaublich viel
Geld (zwischen Fr. 65000.- und Fr. 100000.-) tummeln, wirklich den
Anforderungen gewachsen sind will niemand. Ein übles Business mit dem
potentiellen Tod vor Augen.
Kommerzielle
Anbieter und die Regierungen von Nepal und China verdienen damit viel Geld! Als
hehres Argument wird die Beschäftigung der einheimischen Bevölkerung gelten
gemacht. Diese verdienen vergleichsweise wenig für Ihren risikoreichen Job und
müssen den meist überforderten, überehrgeizigen und zu unerfahrene Bergsteiger,
oft auf Biegen und Brechen, zu Gipfelerfolg verhelfen – schliesslich müssen ja
die Erfolgsquoten für die Anbieter stimmen.
Zusehen
wird man dem Geschehen wohl nicht mehr lange.
Was
folgen wird ist absehbar - nominelle Restriktionen werden folgen, mit der
Konsequenz dass die Bewilligung noch teurer wird. Ob das zu mehr Sicherheit
führt sei dahingestellt, denn nicht jeder zahlungskräftige Bergsteiger ist
automatisch ein für den Everest mündiger Bergsteiger.
Es ist
in erster Linie Mord am kreativen Alpinismus, und das nicht erst seit gestern!
Viele junge und wirklich fähige Alpinisten können und wollen sich diese
Unsummen nicht leisten und weichen auf unbekannte Ziele aus. Die herausragenden
Leistungen im Höhenbergsteigen im letzten Jahrzehnt wurden die wenigsten an den
8000er vollbracht, geschweigen dann am Everest
Was
könnte man anders machen?
Restriktionen
wie Verbot von Höhenträger und dass jeder der auf den Everest will, mindestens
vorher schon ausgewiesenermassen einen anderen 8000er bestiegen haben muss,
wären sinnvoll. Mit diesen Massnahmen wäre wohl der «Verkehr» am Berg um
gefühlte 90% reduziert.
Viele
Bergsteiger betonen immer wieder das Ihr Tun eben doch noch mehr als nur Sport
ist. In diesem ethischen Konsens, wäre es nicht mehr als fair auf künstlichen
Sauerstoff zu verzichten. Ein Verbot von künstlichem Sauerstoff Everest (…und
auch an allen anderen 8000er…) wäre eine weitere mögliche Restriktion mit
weitreichenden Konsequenzen.
Seit
den Ersten, Reinhold Messmer und Peter Habeler (1978), waren es ca. 250
Bergsteiger die es auch ohne künstliche Sauerstoff auf den Gipfel des Everest geschafft
haben. Das wäre Durchschnittlich pro Saison 7 Personen.
Eine
Goldmedaille an olympischen Spielen gewinnt schliesslich auch nicht jeder und verlangt
einen jahrlangen, minutiösen Einsatz. Kaufen kann man sie sich auch nicht.
Der
Everest hätte so die ihm gebührende Würde und Ernsthaftigkeit zurück und
deutlich weniger Müll wäre noch die wünschenswerte Nebenerscheinung.
Nur wer
will das wirklich?
Realistisch
gesehen wird sich weder die eine noch die andere meiner doch sehr idealistischen
Ideen durchsetzen - zu gross ist die Lobby für das Business.
Sind am
Everest Seriosität; Risiko und Geld im Gleichgewicht?
Ein
tief ethische Frage zum leider angekratzten Mythos Everest - «The rest is
silence»
Everest
- der Gipfel der Perversion oder wie es meine Nicht formulierte, Vergewaltigung
des Berges - unglaublich, vielleicht, aber wirklich tragisch!
Stefan
Wullschleger